Seeburg
Seeburg (Bad Urach), Landkreis Reutlingen
Höhe: 596 Meter
Die Seeburg war eine mittelalterliche Burganlage, die etwa 30 m oberhalb des gleichnamigen Dorfs auf einem weit in das Ermstal vorspringenden Sporn zwischen Mühltal und Seetal lag.
Der Ort Seeburg und seine sehr alte Kirche werden bereits in den Jahren 770 und 776 in der historischen Überlieferung greifbar und dürften im Zuge ihrer Lage an einem Albaufstieg schon früh Bedeutung erlangt haben. Ob der Ortsname jedoch unmittelbar auf eine bereits während des Frühmittelalters existierende Befestigung beziehungsweise eine frühe Burganlage zu beziehen ist, bleibt umstritten.
(Michael Kienzle)
Deutlich besser unterrichtet ist man erst über die mittelalterliche Adelsburg, die sich auf dem steil hervorspringenden Bergsporn oberhalb des Dorfs erhob. Archäologischen Funden zufolge ist deren Entstehungszeit aller Wahrscheinlichkeit nach um die Mitte des 12. Jahrhunderts oder kurz davor anzusetzen.
Eine auf der Burg ansässige Familie wird erstmals gegen Ende des Jahrhunderts fassbar, als 1179 und erneut 1187 ein Ritter Walter von Stein auftritt, der sich selbst als miles de Seburc bezeichnete. In der Folge treten weitere Familienmitglieder auf, darunter der Bruder und die Söhne Walters. 1208 wird im Zuge von Rechtsgeschäften des Grafen Heinrich von Wartstein ein Ritter Berthold von Seeburg genannt. Wahrscheinlich waren diese Seeburger stammesverwandt mit der weit verzweigten Familie „von Stein“, deren Stammsitz auf Burg Rechtenstein im Donautal zu verorten ist. Im 13. Jahrhundert (und wohl auch schon früher) war der Ort Seeburg unstrittig Teil der Grafschaft Urach, was nahelegt, dass die Herren von Seeburg im Dienstverhältnis des Grafenhauses standen. Mit der Grafschaft Urach ging die Herrschaft Seeburg um die Mitte des 13. Jahrhunderts an das expandierende Grafenhaus Württemberg über, woraufhin die Burgherren zunehmend unter Druck gerieten.
Im Jahr 1311 konnte die Seeburg im Reichskrieg unter Heinrich Speth neben den Burgen Urach und Wittlingen als einer der letzten württembergischen Stützpunkte erfolgreich verteidigt werden. In der Folge erscheinen die Speth als Burgherren auf der mittlerweile württembergischen Eigenburg. Aber auch die ältere Familie agierte weiterhin in Seeburg. So verkaufte noch 1396 eine Bertha von Seeburg mehrere Güter in Rietheim, Wittlingen, Elwangen, Trailfingen und im Münsinger Hart sowie Gülten aus vier Mühlen im Mühltal an den Grafen Eberhard „den Milden“ von Württemberg.
Erst im 15. Jahrhundert verlor die Seeburg endgültig ihre vormalige Bedeutung. Die Benennung als „Burgstall“ um die Mitte des 16. Jahrhunderts legt einen Niedergang oder Abbruch der Anlage spätestens in der ersten Jahrhunderthälfte nahe.
Heute lassen sich im Gelände nur noch geringfügige Reste der einstmals stattlichen Seeburg nachvollziehen. Wie groß die mittelalterliche Anlage tatsächlich war, ist ohne aufwendige archäologische Untersuchung kaum ermitteln. Ihren Kern dürfte ein steiler, etwa 35 x 10 m messender Burgfelsen ausgemacht haben, auf dem sich noch spärliche Spuren von Kernmauerwerk finden. Einstmals trug dieser Felsen einen größeren Turm, der sich anhand bildlicher Darstellungen des 16./17. Jahrhunderts nachweisen lässt. Der damals noch hoch aufragende Baukörper verfügte scheinbar über mehrere (Fenster-)Öffnungen, war jedoch bereits ohne Dach und in einem insgesamt ruinösen Zustand. Unterhalb des Burgfelsens schützte ein etwa 40 m langer und rund 17 m breiter Halsgraben die Anlage gegen den ansteigenden Sporn. Östlich des Felsens scheint einigen Schuttwällen zufolge ein ummauerter Hof oder ein Gebäude gelegen zu haben. Auf weitere Baustrukturen verweisen verebnete Flächen westseitig des Burgfelsens sowie Streufunde von mittelalterlichen Hohlziegeln und Mörtelbrocken im gesamten Areal.
Eine nordseitig des Felsens anschließende Fläche wird durch einen kleineren Quergraben von dem südlichen, etwa 30 x 50 m messenden Burgteil an der Spornspitze abgetrennt. In welcher Form dieses Areal in die Gesamtanlage einbezogen war, lässt sich nur schwer abschätzen. Auf eine einstmalige Bebauung verweist unter anderem ein unregelmäßiges Mauerviereck von etwa 12 x 20 m, dass sich noch schwach im Gelände abzeichnet und eventuell auf ein Gebäude zurückgehen könnte. Ob zudem eine ansatzweise zu erkennende, etwas tiefer liegende Geländestufe als Rest eines umlaufenden Zwingers anzusprechen ist, kann nicht ausgeschlossen werden. Diese lässt sich weder gleichmäßig noch durchgehend verfolgen, womit eine entsprechende Ansprache unsicher bleiben muss. Nur wenig deutliche Spuren finden sich auch im Bereich der Spornspitze um das dortige Ehrenmal. Somit lassen sich zum ursprünglichen Aussehen der Seeburg heutzutage nur noch sehr eingeschränkt Aussagen machen. Ihren Kern und vielleicht auch den ältesten Burgteil bildete höchstwahrscheinlich der Burgfelsen mit dem dortigen (Haupt)Turm. Bedingt durch die mehrere Jahrhunderte andauernde Nutzungszeit ist grundsätzlich von mehrfachen Umbaumaßnahmen und Erweiterungen insbesondere während des Spätmittelalters auszugehen. Eine Gleichzeitigkeit sämtlicher vor Ort erkennbarer Relikte dürfte somit kaum vorliegen. Sollten die überall am Burgberg erkennbaren Geländespuren künstlicher Umgestaltung des Reliefs tatsächlich auf den einstigen Umfang der Seeburg verweisen, so ist für diese aber immerhin eine enorme Ausdehnung und damit einhergehend ein beeindruckendes Erscheinungsbild während des Mittelalters vorauszusetzen, welches sich dem Betrachter heutzutage mit Blick auf den vergleichsweise unscheinbaren Burgberg nur noch schwer erschließt.
Von der verkehrsgeographischen Lage der Seeburg zeugt bis heute deren Position an einem bedeutsamen Albaufstieg. Während des Mittelalters führten mehrere Wege über den Burgberg in Richtung Münsingen. Bestandteil des Burgzubehörs waren unter anderem mehrere Mühlen, die in dem „Mühlendorf“ Seeburg über viele Jahrhunderte zu den bedeutsamsten und einträglichsten Liegenschaften zählten.
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Michael Kienzle, Burg und Kulturlandschaft. Beobachtungen zum soziokulturellen und topographischen Umfeld mittelalterlicher Adelssitze im Bereich der Mittleren Schwäbischen Alb (in Vorbereitung).
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