Hohengundelfingen
Gundelfingen (Münsingen), Landkreis Reutlingen
Höhe: 725 Meter
Geradezu als Wahrzeichen des Großen Lautertals bekannt, erheben sich die imposanten Reste der Burg Hohengundelfingen auf einem steil abfallenden Felsmassiv oberhalb des gleichnamigen Dorfs. Im 12. Jahrhundert erbaut, diente sie als Stammsitz und Machtsymbol der mächtigen Herren von Gundelfingen.
(Michael Kienzle)
Burg Hohengundelfingen von Horst Guth, Cinecopter
Als Stammvater des Hauses Gundelfingen gilt der Ritter Swigger (I.), der um 1105 und erneut 1112 in den Quellen genannt wird. Dessen Familie verfügte in der Folgezeit über einen beachtlichen Herrschaftsbereich, der sich um das mittlere Große Lautertal sowie weite Teile der umgebenden Hochflächen erstreckte. Verwandtschaftliche Beziehungen der Familie bestanden wohl zu den benachbarten Herren von Steußlingen und Justingen. Burg Hohengundelfingen selbst wird erstmals 1236 genannt, als Swigger (IV.) dort urkundete. Archäologische Funde belegen jedoch eine Entstehungszeit deutlich vor dieser ersten Nennung und legen eine Erbauung bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nahe. Somit handelt es sich bei Burg Hohengundelfingen aller Wahrscheinlichkeit nach wohl nicht um die erste Stammburg des Gundelfinger Geschlechts – wo eine solche zu verorten ist, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Nicht auszuschließen wäre diesbezüglich etwa eine ältere Vorgängeranlage an der Position der Burg Niedergundelfingen, deren Baubestand im Kern weiter zurückreichen könnte.
Seit 1190 agierte der Ritter „Swigger (VI.) von Gundelfingen“, der seit 1246 auch „der Ältere“ genannt wird und unter dem das Haus eine wirtschaftliche Blütezeit erlebte. Nach dessen Tod kam es um 1250 zur Aufteilung des Besitzes unter seinen Söhnen und in der Folge zur Entstehung mehrerer Nebenlinien des Hauses Gundelfingen. Die Forschung ist sich heute weitgehend einig, dass diese Erbteilung weitreichende Folgen hatte und den beginnenden Niedergang des Geschlechts einläutete. Der Sohn Swigger (VIII.) erhielt in diesem Zuge die Burg Hohengundelfingen und begründete die Linie „von Hohengundelfingen“. Bereits unter dessen Söhnen Swigger (XIII.) und Heinrich (VI.) führten wirtschaftliche Schwierigkeiten jedoch zeitnah zum Niedergang dieses Familienzweigs. Aus dem Erbe der anderen Söhne waren zudem die Linien Gundelfingen-Hayingen, Gundelfingen-Bichishausen, Gundelfingen-Maisenburg-Granheim sowie die Linie Niedergundelfingen entstanden, letztere spaltete sich wiederum in die Linien Gundelfingen-Ehestetten und Gundelfingen-Derneck auf.
Burg Hohengundelfingen wird 1293 zum letzten Mal als Ausstellungsort einer Urkunde erwähnt, bevor sie an Habsburg verkauft und 1306 konkret in dessen Verfügungsgewalt nachweisbar wird. Unter dem neuen Machthaber wurde sie mehrfach als Pfand vergeben und es erfolgten zahlreiche Besitzerwechsel. Immer wieder finden sich auch Gundelfinger als Pfandinhaber, denen das langfristige Halten des alten Familiensitzes jedoch nicht mehr gelang. Endgültig zerstört wurde die Burg zwischen 1377 und 1389. Im Jahr 1504 wurde „das Burgstall Hohengundelfingen“ mit allen Rechten und Zugehörden durch den König an den Adeligen Adam vom Stein zu Klingenstein verkauft. 1547 kam die Pfandschaft Hohengundelfingen zunächst an das Reich, dann an die Grafen von Helfenstein, im 17. Jahrhundert aufeinanderfolgend an die Herren von Lindner, von Pappus, von Landsee und im 18. Jahrhundert an die Grafen von Palm. 1805 an Württemberg gekommen, ging sie 1812 an den Feldherrn von Gumpenberg-Pöttmös, 1899 an Baron Otto Spruner von Mertz und 1906 an die Teilgemeinde Dürrenstetten, bis sie 1939 der Ulmer Fabrikant Hans Römer erwarb, der 1949 mit einer umfangreichen Freilegung der Ruine begann. Ziel der damaligen Arbeiten war neben der Sicherung des Bestands auch die bis 1965 durchgeführten umfangreichen Ergänzungen des Mauerwerks sowie der Einbau einer Turmstube. Zu erwähnen ist, dass hierbei reichhaltiges Fundmaterial zutage gefördert werden konnte, das vielschichtige Einblicke in den Alltag der Burgbewohner erlaubt. Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte der Burg Hohengundelfingen mit ihren zahlreichen Besitzerwechseln und der ihr durchweg entgegengebrachten hohen Wertschätzung zeigen deutlich, welches ökonomische und symbolisch-repräsentative Potential dieser Anlage auch lange noch nach ihrem eigentlichen Abgang als bewohnbares Bauwerk zugemessen wurde.
Burg Hohengundelfingen erhebt sich etwa 120 Meter hoch über der Lautertalaue und dem Dorf Gundelfingen auf einem stufenartig ausgeformten, hervorspringenden Felsmassiv. Zur Feldseite wird die Burg durch einen beachtlichen aus dem Fels gearbeiteten Halsgraben geschützt. Heute ist dieser etwa 12 Meter breit und noch bis zu 6 Meter tief. Dahinter befindet sich auf dem Kernburgfelsen das Zentrum der Anlage mit dem erhaltenen Buckelquaderturmstumpf eines einst wohl rund 30 Meter hohen hochmittelalterlichen Bergfrieds und einem anschließenden, ebenfalls in Buckelquaderbauweise ausgeführten Mauerteil. Der noch etwa 10 Meter hoch erhaltene Turmstumpf weist Seitenlängen von rund 8 x 8 Meter sowie eine Mauerstärke von 2,8 Meter auf. Der Innenraum umfasst etwa 2,6 x 2,7 Meter und beinhaltet im oberen Teil eine modern integrierte Turmstube. Dem hochmittelalterlichen Baubestand ist auch eine darunter liegende, aus dem Fels gearbeitete Zisterne zuzuordnen. Wahrscheinlich dem späten 13. oder dem 14. Jahrhundert entstammen die stufenartigen Erweiterungen zur Talseite sowie die Ergänzungen auf der Nordseite der Burg. Insgesamt ist der vorhandene Baubestand außerhalb des Kernburgfelsens aufgrund der modernen Aufmauerungen und Ergänzungen so stark überformt, dass eine fundierte zeitliche Differenzierung der einzelnen Bauteile nur sehr eingeschränkt erfolgen kann. Nicht eindeutig geklärt ist auch, wo der ehemalige Zugang zur Burg lag. Bei der für ein Burgtor jedenfalls viel zu kleinen Pforte, die sich in der Umfassungsmauer hinter dem Graben findet, dürfte es sich am ehesten um eine Art Ausfallpforte handeln. Am plausibelsten scheint die Position eines Burgtors letztendlich im Norden der Burg zu vermuten zu sein, wo sich aber keine eindeutigen Spuren mehr erkennen lassen. Weitgehend ungeklärt ist auch, wie die eigentliche Burg mit einem ausgedehnten, östlich unterhalb davon situierten Burgteil verbunden war. Die Umfassungsmauern dieser „Unterburg“ blieben vergleichsweise gut erhalten. Eine dort vorhandene, offenbar einmal renovierte Pforte, scheint an derselben Position bereits Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden zu haben, könnte also im Kern auf einen mittelalterlichen Zugang verweisen. Die aus grobem Bruchsteinmauerwerk erbaute Umfassungsmauer des unteren Burgteils ist etwa 85 Zentimeter stark und umschloss unter Einbeziehung einer steilen Felsnadel eine Fläche von rund 25 x 60 Meter. Spuren einer Bebauung oder Binnengliederung sind obertägig nicht mehr festzustellen.
Zur Burgherrschaft Hohengundelfingen gehörte ein umfangreicher Besitzkomplex, der etwa das Dorf Dürrenstetten oder auch die Mühle zu Wittsteig und das Fischwasser in der Lauter umfasste. Von den zinspflichtigen Untertanen wurde die Herrschaft noch im 15. Jahrhundert durch die Abgabe von Hühnern, Eiern, Korn und Haber sowie diversen Geldbeträgen versorgt. Von Bedeutung waren auch die alte „Vitsteige“, die vom Lautertal aus und von der Mühle bei Wittsteig ausgehend zur Burg Hohengundelfingen aufwärts geführt haben soll sowie eine „kaiserlich freie Straße“, die 1484 unterhalb der Burg in der Talaue verlief.
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