Harrissen

Wahrscheinlich waren dies jedoch ritterliche Dienstleute der Grafen von Urach; möglicherweise entstammten diese dem Ortsadel des nahen Dorfs Rietheim. Dorthin lassen sich zumindest herrschaftliche Zusammenhänge nachverfolgen und schon die Beschreibung des Oberamts Urach aus dem Jahre 1909 vermerkt, ohne dies näher einordnen zu können, einen Allmendeteil „auf der Burg“, der sich in dem Gebiet nördlich des Dorfs Rietheim befand.

In welchem Zeitraum die heute nach der dortigen Flur „Harrissen“ benannte, namentlich aber eigentlich unbekannte Burganlage bewohnt war, lässt sich anhand archäologischer Funde von Gebrauchskeramik zumindest eingrenzen. Wahrscheinlich wurde diese demzufolge um die Mitte des 13. Jahrhunderts oder auch kurz zuvor erbaut und dürfte nach einigen Jahrzehnten, allerspätestens aber um die Mitte des 14. Jahrhunderts, wieder aufgegeben worden sein.

Burg Harrissen lag auf einem lang gezogenen, felsigen Sporn etwa 100 Meter oberhalb des Ermstals. Gegen die Hochfläche wurde die Burg durch einen etwa 5 bis 6 Meter breiten und fast 30 Meter langen, aus dem Fels gearbeiteten Halsgraben abgeschirmt. Das Burgareal selbst erstreckte sich hinter dem Felsgraben auf einer unregelmäßig rechteckig ausgeformten Fläche von etwa 20 x 40 Meter. In einer nahezu quadratischen Struktur unmittelbar hinter dem Graben dürfte der Standort eines ehemaligen, etwa 5 x 5 Meter messenden Turms zu verorten sein, welcher der Burg gegen die Feldseite Schutz bot. Dahinter zeichnet sich in einer länglichen, offenbar künstlich verebneten Fläche von etwa 14 x 3,5 Meter der Standort eines ehemaligen Burggebäudes ab, bei dem es sich mutmaßlich um den herrschaftlichen Wohnbau der Burg gehandelt haben könnte. Eindeutige Baureste oder Spuren von Mauern sind in beiden Arealen jedoch nicht zu erkennen.

Im Nordosten des Burgareals fällt ein rund 8 x 12 Meter messender, etwa 3 Meter tiefer liegender, wahrscheinlich künstlich aus dem Fels gearbeiteter Bereich auf, der leicht bogenförmig von der ansteigenden Felswand begrenzt wird und zum Tal hin in einer relativ geradlinigen Felskante abfällt. Bauspuren fehlen auch hier, jedoch könnte dieser Bereich als Standort für ein größeres, unterkellertes Gebäude gedient haben. Zwei weitere, offenbar künstlich bearbeitete Flächen finden sich im Bereich des spitz zulaufenden Spornendes, bevor dieses zunehmend schmaler und schroffer werdend schließlich in natürlichen Felsformationen ausläuft.

Vielleicht lagen die zugehörigen Ökonomiestrukturen der Burg einstmals im Bereich einer ausgedehnten Rodungsinsel, die sich auf der angrenzenden Hochfläche erstreckt und die im 18. Jahrhundert von Rietheim aus bewirtschaftet wurde. Unterhalb führte der alte Harrissenweg vom Ermstal ausgehend auf die Alb. Heute liegt die ehemalige Burg Harrissen aber relativ abseits der gängigen Wege und führt ein weitgehend vergessenes Dasein im dicht bewaldeten Hangbereich des oberen Ermstals.

Christoph Bizer, Oberflächenfunde von Burgen der Schwäbischen Alb. Ein Beitrag zur Keramik- und Burgenforschung, Stuttgart 2006, S. 75.

Viktor Ernst, Beschreibung des Oberamts Urach, 2. Bearbeitung, Stuttgart 1909, S. 701.

Michael Kienzle, Burg und Kulturlandschaft. Beobachtungen zum soziokulturellen und topographischen Umfeld mittelalterlicher Adelssitze im Bereich der Mittleren Schwäbischen Alb (in Vorbereitung).

Jürgen Meyer, Was geschah auf „Burg Harrassen“? Eine neu entdeckte Ruinenstätte über dem Ermstal, in: Ders., Rätselhafte Spuren auf der Alb. Geheimnisvolle Ereignisse zwischen Neckar und Donau, Reutlingen 2007, S. 168-178.

Günter Schmitt, Kaiserberge, Adelssitze. Die Burgen, Schlösser, Festungen und Ruinen der Schwäbischen Alb, Biberach 2014, S. 125.

(Michael Kienzle)