Burgstein
Holzelfingen (Gemeinde Lichtenstein), Landkreis Reutlingen
Der Burgstein ist ein weit hervorspringender, markant freistehender Felsen am Rande der Hochfläche bei Holzelfingen, der der Überlieferung nach einst eine Burg der Herren von Greifenstein getragen haben soll.
(Michael Kienzle)
Ob auf dem Burgstein bei Holzelfingen jemals eine mittelalterliche Burg stand, war in der Forschung lange umstritten. Galt eine solche früher fast schon als gesichert, wurden vor allem in der jüngeren Forschung eher kritische Stimmen laut. Dennoch sind auffällige Hinweise vorhanden. So finden sich dort etwa die markanten Flurnamen „Burgholz“ und „Burgholzäcker“. Sowohl die Bezeichnungen „Burgholz“ als auch „Burgstein“ sind überdies bereits im Lagerbuch von 1454 nachweisbar. Auch der schwäbische Historiker Martin Crusius berichtet 1596, wenn er auf das Dorf Holzelfingen zu sprechen kommt, von einer solchen Burg auf dem Burgstein, die den Greifensteinern gehört haben soll. Auffällig sind nicht zuletzt die vorhandenen Geländespuren, die – obwohl wenig deutlich ausgeprägt – insgesamt doch eine künstliche Umgestaltung des Areals vermuten lassen.
Ortsadel lässt sich in dem nicht weit entfernten Dorf Holzelfingen erstmals im frühen 13. Jahrhundert belegen. Vermutlich waren diese bis in das 14. Jahrhundert hinein nachweisbaren Herren von Holzelfingen ritterliche Dienstleute derer von Greifenstein. Ob ein Zusammenhang dieser Familie mit einer potentiellen Burganlage auf dem Burgstein bestanden haben könnte, muss eher fraglich bleiben.
Der markante Burgstein erhebt sich etwa 600 Meter nordwestlich von Holzelfingen rund 230 Meter hoch über dem Echaztal. Er bildet nach Westen und Norden nahezu senkrecht abfallende hohe Felswände aus, wird südseitig allerdings nur von einem relativ sanft abfallenden Hang begrenzt. Gegenüber der ostseitig anschließenden, relativ ebenen Hochfläche besteht kaum ein Höhenunterschied. Unmittelbar im Vorfeld verläuft heute die moderne Straße zum Sportgelände „Burgstein“. Der obertägig erkennbare Geländebefund ist insgesamt nur vage einzuordnen. Zweifelsfrei auf eine Burg verweisende Spuren oder archäologische Fundstücke fanden sich obertägig nicht. Jedoch waren mehrere schwach ausgeprägte, aber auffällige Anomalien und Schuttwälle im Gelände auszumachen, anhand derer sich unscharf Grundrisse ablesen ließen.
Die Reutlinger Oberamtsbeschreibung von 1824 berichtet außerdem, dass unter dem Felsen ein gemauertes Gewölbe zu finden sei, das tief in den Berg hineinführe und der Sage nach Teil eines unterirdischen Gangs unter der Echaz hindurch sein könnte. Bereits 1893 war hiervon aber nichts zu entdecken.
Auch 1925 wurde festgestellt, dass von einer Burg am Burgstein „nicht einmal mehr ein Graben zu sehen sei“. Ein solcher soll aber damals schon „vor etwa 40 Jahren“ eingeebnet und auch viele Bausteine zum Straßenbau weggeführt worden sein.
Jüngst konnten im Rahmen archäologischer Ausgrabungen deutliche Indizien für die Existenz der lange umstrittenen Burganlage erfasst werden. So gelang es an mehreren Stellen Reste von stark ausgebrochenem Fundamentmauerwerk und hohe Konzentrationen an Mörtelbruchstücken freizulegen. Die starke Beschädigung beziehungsweise spätere Abtragung des Mauerwerks scheint somit gut mit der historischen Überlieferung vereinbar. Die erfasste Fundkeramik liefert Indizien für eine Nutzung der Anlage während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, also der Frühphase der Herrschaft Greifenstein. Auch eine Siedlungstätigkeit während des 11. Jahrhunderts zeichnet sich ab. Von herausragender Bedeutung war der Fund mehrerer aus Rothirschgeweih gefertigter Spielfiguren, die ein Schlaglicht auf die ritterlich-höfische Kultur des Hochmittelalters werfen.
Christoph Bizer, Oberflächenfunde von Burgen der Schwäbischen Alb. Ein Beitrag zur Keramik- und Burgenforschung, Stuttgart 2006, S. 82.
Martin Crusius, Annales Suevici. Liber Paraleipomenos, Frankfurt am Main 1595/1596.
Der Landkreis Reutlingen. Amtliche Kreisbeschreibung, hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Reutlingen, Band I, Sigmaringen 1997, S. 914.
Michael Kienzle u.a., Auf den Spuren der Edelfreien von Greifenstein im oberen Echaztal, Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2022 (2023), S. 322-326.
Michael Kienzle, Burg und Kulturlandschaft. Beobachtungen zum soziokulturellen und topographischen Umfeld mittelalterlicher Adelssitze im Bereich der Mittleren Schwäbischen Alb. Dissertation Tübingen (in Vorbereitung).
Oberamtsbeschreibung Reutlingen 1824, S. 127.
Oberamtsbeschreibung Reutlingen 1893, S. 223 und 462.
Günter Schmitt, Burgenführer Schwäbische Alb 4, Biberach 1991, S. 308.
Wilhelm Kinkelin, Das Pfullinger Heimatbuch, Reutlingen 1956, S. 385.
Konrad Albert Koch, Der alte Lichtenstein und Greifenstein, in: Blätter des Schwäbischen Albvereins 37/6, 1925, S. 88.