Bichishausen
Bichishausen (Münsingen), Landkreis Reutlingen
Höhe: 640 Meter
Burg Bichishausen war eine der Burgen der Herren von Gundelfingen im Großen Lautertal. Mehreren Um- und Ausbauphasen vom 13. bis ins 16. Jahrhundert hinein verdankt die Ruine ihr heutiges Aussehen.
(Michael Kienzle)
Burg Bichishausen von Horst Guth, Cinecopter
Bereits um 1100 erscheint in der Zwiefalter Chronik in dem Teil, in dem es um die Aufteilung des Erbes der Achalmgrafen geht, der Ort „Bichinishusin“, der damals an Mathilde, die Schwester der Grafen und Gemahlin des Kuno von Lechsgmünd ging. Die Burg selbst, nach der sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ein Zweig der Herren von Gundelfingen benannte, wird erstmals explizit im Jahr 1296 als „castrum“ erwähnt. Damals sprach der Ritter Konrad (II.) von Gundelfingen von „seiner Burg Bichishausen“ und trug diese gemeinsam mit der Hälfte des Orts dem Domkapitel Konstanz zu Lehen auf. Dem aktuellen Forschungsstand zufolge dürfte die Entstehung des Adelssitzes aber bereits zu Beginn des Jahrhunderts anzusetzen sein. Eine mutmaßlich zweite Befestigungsanlage findet 1306 Erwähnung, wenn im Habsburger Urbar von einem „Turm“ in Bichishausen die Rede ist, der mit der anderen Hälfte des Dorfs ursprünglich Zubehör der Herrschaft Hohengundelfingen unter Konrads Bruder Swigger (VIII.) von Gundelfingen gewesen sei. Dessen Dorfhälfte war zwischen 1293 und 1306 an Habsburg gekommen. Besagten „Turm“ habe im Jahr 1302 Heinrich (VIII.) von Gundelfingen (der Sohn Konrads) von der habsburgischen Herrschaft als Burglehen innegehabt, zerstörte ihn jedoch im Frieden, um seine eigene nahe gelegene Burg fester zu machen. Nicht endgültig geklärt ist allerdings die Lage dieses Turms. Wahrscheinlich ist dieser identisch mit dem zerstörten Buckelquaderbergfried, der sich im oberen Teil der Burganlage erkennen lässt.
Wie die Hauptlinie Hohengundelfingen ging auch die Linie Konrads rasch dem ökonomischen Niedergang entgegen. So musste bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts ein Großteil der Besitzgrundlage wegen „schwerer Schulden“ veräußert werden. Burg Bichishausen ging in der Folgezeit durch die Hände mehrerer Besitzer. 1353 war der Ritter Johann Truchsess von Magolsheim Inhaber der Burg, dessen Familie sich in der Folgezeit Truchsessen von Bichishausen nannte. Im 16. Jahrhundert kam sie zunächst an den kaiserlichen Rat Heinrich Treisch von Buttlar, unter dem sie eine umfangreiche Modernisierung erfuhr, 1545 dann an Wolf von Vellberg zu Vellberg. Um die Jahrhundertmitte scheint sie zunehmend ruinös gewesen zu sein, ging aber noch 1552 an Georg von Helfenberg, 1627 an Fürstenberg und wurde erst im Dreißigjährigen Krieg endgültig zerstört. Nachdem sie 1923 in Privatbesitz gekommen war, erwarb sie 1972 der Landkreis Reutlingen, unter dessen Regie zwischen 1973 und 1975 Instandsetzungs- und Freilegungsmaßnahmen erfolgten.
Burg Bichishausen liegt etwa 20 Meter oberhalb des Lautertals auf dem unteren Ausläufer eines felsigen, steil abfallenden Sporns. Im oberen Burgteil auf dem eigentlichen Kernburgfelsen liegt knapp hinter dem Halsgraben ein 1973/74 wiederentdeckter, nahezu quadratischer, etwa 5,3 x 5,1 Meter messender und noch 2,5 Meter hoch erhaltener Stumpf eines stauferzeitlichen Buckelquaderbergfrieds, bei dem es sich um den kleinsten dieser Türme im Lautertal handelt. Vermutlich hochmittelalterlicher Baubestand findet sich auch an der West- und Südseite der Kernburg. Einstmals sichtbare Reste einer Zisterne oder eines Brunnens sind heute dagegen nicht mehr obertägig erkennbar.
Südseitig unterhalb schließt sich der gut erhaltene, mehrstöckige Wohnbau an, in dessen westseitiger Mauerfront die ehemalige Schildmauer der Burg baulich integriert wurde. Eine ältere Ringmauer, wahrscheinlich des 13. Jahrhunderts, verläuft an der Südwand des Wohnbaus nach Osten und lässt sich anhand stellenweise erkennbarer Einstreuungen von Fischgrätmauerwerk im Baubestand ablesen. Wohl dem 14. Jahrhundert ist die Errichtung der bis zu etwa 3,5 Meter starken Schildmauer zuzuschreiben. Balkenlöcher auf der Feldseite belegen das Vorhandensein eines einstmals aufgesetzten hölzernen Wehrgangs. Der dahinter liegende, hoch aufragende spätmittelalterliche Wohnbau erstreckte sich auf einer Fläche von 8 x 10 Meter und lässt bis zu vier Stockwerke erkennen. Mehrfach finden sich nachträglich veränderte Fensteröffnungen, die die Aufteilung der Innenräume erahnen lassen. Unterhalb eines südseitig anschließenden Gebäudes befand sich ein überwölbter, heute noch weitgehend erhaltener Keller. Der die Burg umfassenden, stellenweise hoch erhaltenen Ringmauer waren mehrere Zwingermauern vorgelagert, deren Reste sich nur noch rudimentär erhalten haben. Auffällig ist der ausgeprägte, aus dem anstehenden Fels geschlagene Halsgraben der Burg, der an mehreren Stellen unterschiedliche Breite und Tiefe aufweist und wohl mehrere Ausbaustufen erkennen lässt.
Zu Burg Bichishausen gehörte stets eine kleine Herrschaft und verschiedenes Burgzubehör, darunter etwa ein unterhalb gelegener herrschaftlicher Garten sowie ein Baumgarten und mehrere Lehenhöfe im Ort. Im unmittelbaren Umfeld führte zudem eine alte Steige vom Dorf auf die Albhochfläche um den Bichishausener Steighof.
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