Achalm
Reutlingen, Landkreis Reutlingen
Höhe: 707 Meter
English Summary
Frei zugänglich. Es bestehen gut markierte Wanderwege aus allen Richtungen. Die Achalm liegt am Burgenwanderweg Neckar-Donau (Teil des Hauptwanderweg 5) des Schwäbischen Albvereins. Zufahrt mit PKW: In Reutlingen von Norden über Königsstraße und Achalmsträßle zu den Parkplätzen im Bereich Scheibengipfel.
Um 1030/1050 errichteten die Grafenbrüder Egino und Rudolf, bislang mit einem Herrensitz in Dettingen an der Erms versehen, eine Burg auf der Achalm, deren Bauplatz erst durch einen Gütertausch erworben werden musste. Die Vorfahrenschaft der Grafen liegt weitgehend im Dunkeln. Allerdings heiratete Rudolf, der nach dem frühen Tod Eginos die Burg vollendete, mit Adelheid von Wülflingen eine Dame, die nicht nur reichen Besitz in der heutigen Schweiz und im Elsass beibrachte, sondern auch verwandtschaftliche Verbindungen zum vornehmsten Adel im Reich.
(Stadtarchiv Reutlingen)
Burg Achalm von Horst Guth, Cinecopter
Im Investiturstreit erwiesen sich die Achalmgrafen als klare Förderer der Kirchenreform und Gegner des Kaisers: Liutold von Achalm (+ 1098), der Sohn Rudolfs, gründete nicht nur 1098 das der Reformpartei nahestehende Kloster Zwiefalten, sondern nahm auch Bischof Adalbero von Würzburg bei sich auf, einen ausgewiesenen Gegner Kaiser Heinrichs IV.
Durch das Aussterben der Achalmer noch im 11. Jahrhundert ging die Burg an die Welfen über und war 1164 Rückzugsort für Welf VII. während seiner Fehde mit den Pfalzgrafen von Tübingen. Über die Grafen von Gammertingen gelangte die Achalm schließlich um 1170/80 an die Herren von Neuffen. Sie waren Parteigänger der Staufer, gerieten dann aber in den Konflikt zwischen König Heinrich (VII.) und seinem Vater, Kaiser Friedrich II., der 1235 in einem Gefecht im Ermstal seinen Höhepunkt fand. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen belagerten die Truppen des Kaisers die Achalm. Graf Friedrich von Zollern musste dem Kaiser aber von herben Verlusten berichten, die ihm Heinrich von Neuffen gelegentlich eines Ausfalls beigebracht hatte. Gleichwohl obsiegte schließlich die überlegene kaiserliche Partei; die Achalm stand nun als Reichsburg unter der Verwaltung staufischer Dienstleute, die als Achalmvögte auch die stadtherrlichen Rechte in Reutlingen wahrnahmen. Dazu zählten Schultheißenamt, Zoll, Umgeld und Rechte an den Mühlen.
Der 1273 zum König gewählte Rudolf von Habsburg war bestrebt, Reichsgut wieder in seine Verfügungsgewalt zu bringen und nutzte die Achalm mit Reutlingen als Mittelpunkt der Reichslandvogtei in Schwaben. In der Folge sind einzelne Aufenthalte deutscher Könige auf der Achalm nachgewiesen. Der Zufallsfund eines Klappspiegels aus dem 13./14. Jahrhundert, ein in Baden-Württemberg bislang singuläres Stück, belegt ein wohlhabendes, adeliges Ambiente auf der Burg.
Die Zukunft aber gehörte den neu entstandenen, dynamischen Adelsherrschaften, denen es gelang, unterschiedliche Herrschaftstitel zu einer Landesherrschaft zu formen. In diesen Sog geriet auch die Achalm, die im 14. Jahrhundert dauerhaft in den Pfandbesitz und damit in die Verfügungsgewalt der Grafen von Württemberg geriet. Fortan saßen württembergische Amtleute direkt über der Reichsstadt Reutlingen, was zu manchen Konflikten führte: Im Städtekrieg 1377 überfiel die württembergische Besatzung die von Plünderungen heimkehrenden Reutlinger. In dem nach zeitgenössischen Berichten überaus erbittert geführten Gefecht behielten die Reichsstädter die Oberhand. 1500 gelang es der Stadt, die an der Achalm haftenden stadtherrlichen Rechte zu erwerben. Doch damit waren keineswegs alle Reibungspunkte aus der Welt geschafft. 1519 führte der Totschlag des württembergischen Burgvogts zur Belagerung und kurzzeitigen Einnahme der Stadt durch Herzog Ulrich. Unter Herzog Christoph erfolgten ab 1561 umfänglichere Reparaturarbeiten auf der Burg.
Mit zunehmender militärischer Bedeutungslosigkeit – anders als der Hohenurach wurde die Achalm nicht zu einer Festung ausgebaut – verlor dieses Nebeneinander von württembergischer Burg und freier Reichsstadt viel von seiner Brisanz. Eine gewisse Rolle sollte sie noch einmal im 30-jährigen Krieg spielen. Nach der Niederlage der Protestanten bei Nördlingen 1634 wurden eine ganze Reihe württembergischer Besitzungen unter zweifelhaftem Rückgriff auf ältere Rechtstitel an habsburgische Gefolgsleute gegeben. So wurde eine österreichische Pfandschaft Achalm gebildet, die Teile der Alb und des Albvorlandes umfasste und die Erzherzogin Claudia von Medici, der Schwägerin des Kaisers und Regentin Tirols, unterstand. Als gegen Kriegsende die Lage für das Haus Habsburg im Südwesten zusehends bedrohlich wurde, legte die damals in Reutlingen einquartierte bayerische Garnison eine kleine Besatzung in die Burg, um eine feindliche Besetzung der Achalm zu verhindern. Nachdem man aber feststellte, wie beschwerlich das Leben dort war – wegen der unbrauchbaren Zisterne mussten die Untertanen nicht nur täglich zwei Eimer (beinahe 600 Liter) Wasser sowie Brennholz auf die Burg transportieren, sondern auch „mit höchster Abmattung ihrer Pferde“ die Garnison mit Brot, Bier, Fleisch und anderem versorgen – entschloss man sich 1645, die „Schlossmauren ... ohne dass [sie] ganz faul und bauwfellig waren“ abzubrechen. Zusätzlich zerstörte ein Feuer das noch vorhandene Hauptgebäude. Nach Rückübertragung der Pfandschaft Achalm an Württemberg im Westfälischen Frieden von 1648 ließ Herzog Eberhard III. die Mauern vollends schleifen.
Der weiter voranschreitende Verfall der Ruine ist vielfach belegt; Carl Christian Gratianus wusste in seiner „Geschichte der Achalm und der Stadt Reutlingen“ zu berichten, dass „im innern Raume der alten Burgruine ... Erdbirnen“ angepflanzt wurden und der damalige Gutsbesitzer Eckquader des Bergfrieds für sein neues Wohnhaus ausbrechen ließ. Der heutige Aussichtsturm wurde 1838 auf Veranlassung König Wilhelms I. von Württemberg neu errichtet. Wilhelm war es auch, der 1822 den Rückerwerb der Achalm veranlasst hatte. Die bislang eigenständige Gemarkung Achalm kam 1850 zu Reutlingen. Dass heute die Reutlinger Stadtfarben die Turmspitze zieren, hat allerdings nicht damit, sondern mit dem Erwerb der Ruine durch die Stadt im Jahr 1950 zu tun. 2009 folgte der Erwerb des restlichen Berges, so dass sich rund 950 Jahre nach Erbauung der Achalm die Verhältnisse in ihr glattes Gegenteil verkehrt haben: War die Siedlung und spätere Reichsstadt Reutlingen einst der Herrschaft der Burgherren unterworfen, so gehören die Überreste der mittelalterlichen Grafenburg nun den Reutlinger Bürgern.
Siedlungsgeschichte und Baubestand
Die Achalm zeigt in idealer Weise den Typ einer Gipfelburg, die sich ähnlich wie die Limburg bei Weilheim/Teck oder der Hohenzollern durch eine beherrschende, gegenüber den umliegenden Siedlungen herausgehobene Stellung in ringsum gut zu verteidigender Lage auszeichnet. Der Bau solcher Höhenburgen war typisch für die Zeit des 11. Jahrhunderts und bildete zusammen mit dem Übergang von der Einnamigkeit zu festen, ortsbezogenen Familiennamen („von Achalm“) ein Wesensmerkmal des hochmittelalterlichen Adels. Mit rund 20 ar hatte die Achalm beachtliche Ausmaße und konnte sich mit anderen Hochadelsburgen des 11. und 12. Jahrhunderts messen.
Moderne archäologische Grabungen fanden lediglich auf der am östlichen Abhang gelegenen und in heutiger Gestalt künstlich hergestellten Terrasse „Rappenplatz“ statt. Sie förderten Belege für eine dauerhafte Besiedlung der Achalm seit dem 11. Jahrhundert vor Christus zu Tage. Im weiteren Umfeld wird auch auf dem Scheibengipfel westlich des Burgbergs eine vorgeschichtliche Nutzung vermutet.
Eine archäologische Erforschung der Burg hat, abgesehen von der Untersuchung von Oberflächenfunden durch C. Bizer nicht stattgefunden. Von Ergebnissen der 1838, wohl im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Burgturmes vorgenommenen „Aufgrabungen“ ist nichts weiter bekannt. Somit ist man auf ältere Beschreibungen wie die des Tübinger Professors Martin Crusius, der die Achalm 1587 besuchte, ebenso auf die seit dem 16. Jahrhundert vorliegenden bildlichen Ansichten der Burg und schließlich auf den heutigen Befund angewiesen.
Die Achalm in Kunst, Sagen und Literatur
Die früheste ausführliche Beschreibung der Achalm ist der schon erwähnte Reisebericht von Martin Crusius aus dem Jahr 1587. Doch erst die schwäbische Romantik hat sich dem seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert oft und gern begangenen Reutlinger Hausberg intensiver angenommen. Damals spielte im Königreich Württemberg der Rückgriff auf die Geschichte des noch jungen Landes eine große Rolle. Bekannt wurde insbesondere die Ballade Ludwig Uhlands zur Schlacht bei Reutlingen 1377. Von gewisser Bedeutung scheint auch das Haus des Reutlinger Bürgermeister Clemens Cammerer auf der Achalm gewesen zu sein, war er doch mit Uhland und mit Justinus Kerner bekannt, die ihn hier besuchten. In die (Literatur-) Geschichte ging die Begegnung Kerners mit seiner künftigen Frau Friederike Ehemann auf der Achalm 1807 ein, die der Arzt und Dichter in Versform wiedergab: „Über den Fildern, über den Bäumen, auf der Achalm hohem Haupt, fand ich sie im Gold des Morgens, hat sie mir das Herz geraubt. (...)“ Sodann widmete Gustav Schwab in seinem 1823 erschienen Albreiseführer der Achalm umfangreiche Abschnitte, in denen er sich auch mit Namen und Geschichte des Berges auseinandersetzte. Die Herkunft des wohl vordeutschen, im Übrigen bis heute nicht wirklich geklärten Namens wird von Schwab mit Bezug auf den lokalen Sagenschatz so wiedergegeben: Im Sterben sei der Burgherr, Letzter seines Geschlechts, mit dem Speer in der Hand niedergesunken, „(...) Doch was er rief in letzter Not, das halbe Wort: Ach allm – Das hat gewiß getönt vor Gott Als wie ein ganzer Psalm.“ Ja selbst dem Feinde klang es schön, Das ernste Scheidewort, Erbaute frisch auf diesen Höhn Und hieß Achalm den Ort.“ Die Achalm wurde zudem Schauplatz und Gegenstand der Literatur. Bei dem Reutlinger Schriftsteller und Redakteur Hermann Kurz (1813–1873) spielen Sagenelemente ebenso eine Rolle wie der Berg als Ort seiner Erzählungen. Eine besondere Nähe zur Achalm entwickelte der Schriftsteller Ludwig Finckh, dessen Urne 1964 dort beigesetzt wurde. Zur Entdeckung der Achalm durch die Literatur gesellte sich die Bildende Kunst. Seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bemühten sich Landschaftsmaler, die Schönheit und den besonderen Charakter des Berges einzufangen. Die Kunsthistorikerin Astrid Wendt drückte es so aus: „In dem Maße, in dem sich die angesehenen Künstler von der wirklichkeitsgetreuen Architekturwiedergabe abwandten, wurde mehr und mehr die Landschaftsdarstellung zu einem Sujet, an dem sich malerisches Können messen ließ.“ Im 20. Jahrhundert wurde die Achalm dann Heimat und Quelle der Inspiration für den Holzschneider HAP Grieshaber (1909-1981). Dem wohl unerschöpflichen Thema Achalm in Kunst und Literatur widmeten sich in den vergangenen Jahren mehrere Vorträge, Ausstellungen und Aufsätze. Das Kunstmuseum Spendhaus in Reutlingen besitzt zahlreiche einschlägige Werke, ebenso verfügt die Kunstsammlung des Landkreises Reutlingen über eine Reihe von Kunstwerken zur Achalm.
Zugang
Der heutige Burgweg scheint der ursprüngliche Zugang zu sein. Unmittelbar vor dem Burgtor wird der Weg in der Art eines Zwingers zwischen dem Burgplateau und einer Mauer geführt. H.-M. Maurer und G. Schmitt weisen diesen Teil sowie das schon von Crusius genannte äußere Tor am Eingang dieser Passage einer Ausbauphase im ausgehenden Mittelalter zu. Mögliche Eindringlinge waren so vor dem inneren Burgtor zwischen Burg und Zwingermauer quasi gefangen. Eine kleine Pforte mit spitzbogigem, allerdings so erst 1966 geschaffenen Türsturz führt in diesem Bereich zu einem schmalen Pfad entlang der Ringmauer. Crusius konnte noch von zwei Vorhöfen berichten, bis man schließlich zur eigentlichen Burg gelangte. Von der mittelalterlichen Anlage zeugen heute nurmehr wenige bauliche Überreste. Als alter Bestand dürfen die vor allem im nördlichen Bereich abschnittsweise gut erhaltenen, 1965/66 und in den 1970er Jahren durch Sanierungen jedoch teilweise auch stark sanierten Ringmauerreste gelten. Das ursprüngliche Quadermauerwerk wird dem 11.-12. Jahrhundert zugewiesen. Die in den Quellen für diese Zeit genannten, von Rudolf und seinem Sohn Liutold errichteten zwei Burgen werden meist mit dem durch einen Abschnittsgraben getrennten „vorderen“ oder „oberen“ (südlich gelegenen) und dem „hinteren“ oder „unteren“ (nördlichen) Burgbereich identifiziert.
Innenbebauung
Der heute dominierende, rund 14 Meter hohe, fast quadratische Burgturm stammt von 1838 und wurde auf Veranlassung König Wilhelms I. von Württemberg an Stelle des mittelalterlichen Vorgängerbaus errichtet. Die hier zum Teil verwendeten Tuffsteine scheinen auf der Burg überhaupt verbreitet gewesen zu sein. So berichtete Ferdinand August Weckherlin 1790, dass „alles Gemäuer ... aus jenen vortrefflichen Ducksteinen [= Tuffsteinen] aufgeführt“ sei. Dies trifft so sicherlich nicht zu, aber es ist gut möglich, dass bei den am Ende des 16. Jahrhunderts verbürgten Arbeiten vermehrt Tuffsteine verwendet wurden, wie dies auch bei den Festungen Hohenneuffen und Hohenurach der Fall war. Ein im Archiv der Württembergischen Hofkammer in Altshausen erhaltener Plan von 1736 lässt vermuten, dass der Vorgängerturm in Grundfläche und Höhe mit dem heutigen vergleichbar war. Hier ist außerdem gut zu erkennen, was Crusius 1587 beschrieb: Der Zugang war nur über das obere Stockwerk möglich, eine häufige, etwa auch bei dem Bergfried von Hohenhundersingen nachweisbare Lösung. H.-M. Maurer weist den ursprünglichen Turm frühestens dem 12. Jahrhundert zu.
Dem Plan von 1736 ist weiter der Grundriss eines größeren, etwa 10 x 18,5 m messenden Gebäudes mit drei Kellern unmittelbar westlich des Bergfrieds zu entnehmen. Vermutlich handelt es sich hier um das 1561 erwähnte „neue Haus“, das sicherlich Wohnzwecken diente und auf den Ansichten der Zeit anhand seines markanten Daches gut zu erkennen ist. Für die Wasserversorgung war eine Zisterne im südöstlichen Burgbereich eingerichtet. Dort stand, an die Burgmauer angebaut, auch ein weiterer Turm, der die Überwachung des Burgwegs ermöglichte. Der Turm wurde seit seiner Wiedererrichtung mehrfach saniert, zuletzt 1978 durch die Stadt Reutlingen.
1561 werden neben „Wächterturm“ und Wehrgang („umbgang“) noch weitere Gebäude genannt: Die Burgkapelle (Georgspatrozinium, 1417 erstmals erwähnt), ein Backhaus („pfisterei“), die Badstube sowie ein Pferdestall. Sie sind weder durch Pläne noch durch bauliche Befunde genauer zu lokalisieren.
Landwirtschaftliche und Freizeitnutzung
Die Achalm hatte seit jeher einen landwirtschaftlichen Nutzen. Martin Crusius berichtet für das ausgehende 16. Jahrhundert, dass an den tieferen, unterhalb des Scheibengipfels und des heutigen Hotel Restaurants Achalm gelegenen Partien Weinbau betrieben wurde. Die Kultivierung des Weins kann hier bis in das 13. Jahrhundert zurück belegt werden. Ein kleiner Weinberg wird heute noch unterhalb des Schönen Wegs im Gewann Betzenried in städtischer Regie unterhalten.
Der obere Teil des Berges war bis ins 19. Jahrhundert ein locker mit Bäumen bestocktes Weideland. Auch Ackerbau wurde betrieben. Wie in ähnlichen Fällen, etwa an der Teck, entstand Mitte des 17. Jahrhunderts ein herzoglicher Viehhof. Nachdem die Achalm schon längst ihre militärische und Verwaltungsfunktion eingebüßt hatte, wurde der Berg samt Ruine 1762 an die Gemeinde Eningen unter Achalm verkauft, die das Gut bald weiterveräußerte. In der Folge versuchten sich Reutlinger und Eninger Bürger mit seiner wirtschaftlichen Nutzbarmachung. Erwähnenswert ist, dass der seit Mitte des 18. Jahrhunderts allenthalben eingeführte Kartoffelanbau von Eningen aus gerade hier betrieben wurde, was hinlänglich die Knappheit der Ressource Boden in jener Zeit veranschaulicht. Doch auch der Obstbau hatte auf der Achalm eine Heimstatt. 1776 existierte bereits eine Baumschule, und von dem Reutlinger Bürgermeister Clemens Christoph Camerer (1766-1826) heißt es, er habe nicht nur „reizende Garten-Anlagen und herrliche Obstbaumpflanzungen“ angelegt, sondern zudem eine Wirtschaft eingerichtet, so dass die Achalm bald „ein öffentlicher Vergnügungsplatz der Gegend“ wurde. 1822 entschloss sich König Wilhelm I., den gesamten Berg wieder zurückzuerwerben und an der Stelle des heutigen Hotels eine Schäferei als landwirtschaftliches Mustergut einzurichten. Nach wie vor aber blieb die Achalm Ausflugsziel und Vergnügungsplatz. Der Reutlinger Kaufmann Georg Knapp etwa erinnert sich an einen Ausflug im Sommer 1824,
„(...) wo wir wieder tanzten und eine kleine Comödie spielten. Es war Cleopatra von Kozebue [!]. Wir hatten Tapeten mitgenommen, und das Theater war bald im Saale zugerichtet. Ich spielte in einem höchst burlesken Anzuge die Rolle der Cleopatra, Fehleisen machte den Antonius, Carl Finkh den Cesarion und Justus Fleischhauer die Octavia. Das Ganze lief zur grösten Unterhaltung unsrer zahlreichen Zuschauer ab, und gab uns die Idee, auf den kommenden Winter ein kleines Liebhaber Theater zu errichten.“
Auch bei offiziellen Festen wie dem 300. Jahrestag des Augsburger Bekenntnisses 1830 oder dem Regierungsjubiläum des Königs 1841 war die Achalm Schauplatz von Feiern.
Heute eine schützenswerte Landschaft
Durch die vielfältige, geschichtlich gewachsene Nutzung ist eine strukturreiche Offenlandschaft mit kleinräumigem Wechsel von mageren Weideflächen, Streuobstwiesen, Hecken, Felsen und charakteristischen Einzelbäumen entstanden. Heute steht die Achalm als Landschaftsschutzgebiet und aufgrund der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie unter strengen umweltrechtlichen Auflagen. Die Magerrasen der Achalm sind für den Arten- und Biotopschutz von hoher Bedeutung. Auf diesen Flächen kommen so viele verschiedene Pflanzenarten vor wie kaum in einem anderen mitteleuropäischen Lebensraum. Neben Enzianen, Orchideen, der Flockenblume, der Silberdistel, Thymian, Salbei, Oregano, Kreuzblümchen, Hufeisenklee, Wiesenknopf oder gemeines Sonnenröschen. Viele der vorkommenden Arten sind vom Aussterben bedroht. Ihr Lebensraum bedarf eines besonderen Schutzes, um diese Arten für folgende Generationen zu erhalten. Von der großen Artenvielfalt bei den Pflanzen profitiert auch die Tierwelt, welche hier ebenfalls sehr vielfältig ist. So sind die Magerrasen und Wiesen ein Eldorado für Heuschrecken, die zusammen mit anderen Insekten als Nahrungsgrundlage für Vögel wie dem Neuntöter dienen, der in sonnigen Hecken brütet. Die Achalm ist außerdem Lebensraum von verschiedenen Brutvogelarten und ein wichtiger Rast- und Ruhepunkt verschiedener Zugvögel der Roten Liste. An den vegetationsarmen Hangbereichen findet man neben Erdhummeln, Bienen auch Sandlaufkäfer. Diese räuberisch laufenden Käfer brauchen lockeres Erdreich, um ihre Eier abzulegen. Sie sind heute fast ganz auf Bereiche wie die Achalm zurückgedrängt. Diese Landschaft kann nur durch Nutzung beziehungsweise Pflege durch den Menschen erhalten bleiben. Die regelmäßige Schafbeweidung erhält die Magerrasen der Achalm in ihrem jetzigen Erscheinungsbild. Unterstützung erhalten die Schafe durch den Forstbetrieb der Stadt Reutlingen, durch den Landschaftspflegetrupp des Umweltbildungszentrums Listhof und der Sektion Reutlingen des Deutschen Alpenvereins. Der Achalm kommt heute für den dicht besiedelten Reutlinger Raum eine wichtige Erholungsfunktion zu.
Dorothee Ade, Ein Klappspiegel von der Achalm, in: Grosso Modo - Quellen und Funde aus Spätantike und Mittelalter, hg. von Orsolya Heinrich-Tamáska u.a. (Mannheimer Geschichtsblätter Sonderveröffentlichung 6), Weinstadt 2012, S. 231-236.
Irmtraud Betz-Wischnath, Die Achalm in Kunst und Literatur. Ein Streifzug durch fünf Jahrhunderte, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 47 (2008), S. 9-68.
Christoph Bizer, Oberflächenfunde von Burgen der Schwäbischen Alb (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 26), Stuttgart 2006, S. 128-134.
Eberhard Fritz, Das Hofgut Achalm im Besitz des Hauses Württemberg, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 45 (2006), S. 139-172
Eberhard Fitz, Die "Pfandschaft Achalm" im Besitz der Tiroler Linie des Hauses Habsburg. Expansionsbestrebungen in Vorderösterreich während des Dreißigjährigen Krieges, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 49 (2010), S. 239-348.
Christoph Friedrich Gayler, Historische Denkwürdigkeiten der uralten Reichsveste Achalm, Reutlingen 1840.
Carl Christian Gratianus, Geschichte der Achalm und der Stadt Reutlingen, 2 Bde., Tübingen 1831.
Sönke Lorenz, Graf Liutold von Achalm (+1098) - ein Klosterstifter im Zeithorizont des Investiturstreits, in: Liutold von Achalm (+1098). Graf und Klostergründer, hg. von Heinz Alfred Gemeinhardt und Sönke Lorenz, Reutlingen 2000, S. 11-55.
Hans-Martin Maurer, Die Achalm und der mittelalterliche Burgenbau, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 6 (1968), S. 7-24. Leicht überarbeiteter Wiederabdruck in: Reutlingen. Aus der Geschichte einer Stadt, hg. von Paul Schwarz und Dieter Schmied, Reutlingen 1972, S. 43-52.
Christoph Morrisey, Historische Topographie der Achalm, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 53 (2014), S. 9-41.
Günter Schmitt, Burgenführer Schwäbische Alb, Bd. 4. Alb Mitte-Nord, Biberach 1991, S. 275-286.
Alois Schneider (Bearb.), Reutlingen (Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg 23), Esslingen 2003, S. 143-144.
Theodor Schön, Die Burgvögte und Burgherren von Achalm, in: Reutlinger Geschichtsblätter 12 (1901), S. 55-58, 65-71, 86-88; 13 (1902), S. 1-4, 17-20, 42-47, 73-75, 83-89.
Ulrich Veit, Neue archäologische Forschungen auf der Achalm: Die Ausgrabungen am "Rappenplatz" 2000-2005, in: Reutlinger Geschichtsblätter NF 45 (2006), S. 9-54.
Astrid Wendt, Die Achalm - Ritterburg, Domäne und Landschaftsmotiv, in: Stadt Bild Geschichte. Reutlingen in Ansichten aus fünf Jahrhunderten, bearb. von Heinz Alfred Gemeinhardt und Werner Ströbele, Reutlingen 1990, S. 191-202.
(Stadtarchiv Reutlingen)