Alt-Lichtenstein
Honau (Gemeinde Lichtenstein), Landkreis Reutlingen
Höhe: 800 Meter
Die Ruine mit dem etwas irre führenden Namen „Alter Lichtenstein“ ist eine der beiden Lichtensteiner Burgen, die hoch über dem Talschluss des Echaztals und des Orts Honau auf markanten Burgfelsen errichtet wurden.
(Michael Kienzle)
Nachdem im Jahr 1182 erstmals ein Gebhard von Lichtenstein als Ministeriale des Markgrafen Heinrich von Ronsberg genannt wird, scheint die Familie der Lichtensteiner, die in ihrem Wappen einen silbernen Adlerflug auf blauem Grund führten, seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf den Burgen über Honau ansässig gewesen zu sein. Als deren dortige Stammburg sah man lange Zeit die Burg „Alter Lichtenstein“ an, schien sich dies doch bereits in der Namengebung zu bestätigen. Archäologische Funde lassen jedoch an dieser Einordnung zweifeln. Im Gegenteil dürfte es sich vielmehr bei eben jener Burganlage, die als Vorläufer des heutigen Schlosses auf dem steilen Schlossfelsen errichtet wurde, um den eigentlich älteren Burgenbau handeln. Erst rund ein halbes Jahrhundert später scheint dann die Burg Alter Lichtenstein errichtet worden zu sein, also während der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Welche unmittelbaren Bestrebungen diesem zweiten Burgenbau zugrunde lagen, ist bislang noch weitestgehend ungeklärt.
Insgesamt bleiben bislang viele Fragen zur frühen Geschichte der Herren von Lichtenstein offen. Es wird angenommen, dass diese mit den Herren von Engstingen gemeinsamer Abkunft sind. Auch eine Herkunft aus dem Raum um Neufra und den beiden dortigen Lichtenstein-Burgen wurde diskutiert. Im Jahr 1263 unterstand ihnen dann nachweislich die damals bischöflich-churische Herrschaft Engstingen als Lehen. Im 14. Jahrhundert verfügten sie dort über einen eigenen Herrschaftssitz. Auch das unterhalb der Burg liegende Dorf Honau scheint zunächst weitgehend dem Bistum Chur gehört zu haben. Scheinbar erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts erwarb Ludwig von Lichtenstein dort mit einer Mühle eigenen herrschaftlichen Besitz von dem Kloster Weißenau.
Erstmals ausdrücklich erwähnt wird eine Burg Lichtenstein im Jahr 1311 anlässlich der Verheerungen des Reichskriegs durch Reutlinger Truppen. Bezogen auf die früher anzusetzende Entstehungszeit der beiden Burgen ist davon auszugehen, dass sich diese Nennung auf beide damals offenbar parallel bestehenden Lichtensteine bezog und wohl auch beide in diesem Zuge zerstört wurden.
Nicht abschließend geklärt ist bislang allerdings, wann genau die Burg Alter Lichtenstein schließlich endgültig aufgegeben wurde. Mindestens eine der beiden Burgen muss nach 1311 wieder aufgebaut worden sein, denn im Städtekrieg kam es 1377 erneut zur Zerstörung einer „Burg Lichtenstein“. Ob auch dieses Ereignis wiederum beide Burgen betraf – womit ein potentieller Wiederaufbau Burg Alter Lichtenstein im 14. Jahrhundert vorauszusetzen wäre – lässt sich bislang nicht eindeutig entscheiden. Spätestens in der darauf folgenden Zeit wurde die Burganlage dann allerdings nicht mehr genutzt und blieb dem fortschreitenden Verfall überlassen.
Die Burg Alter Lichtenstein wurde auf einem steilen Burgfelsen oberhalb des Honauer „Tobels“ errichtet und von dem feldseitig ansteigenden Hang durch zwei tiefe, aus dem anstehenden Fels geschlagene Halsgräben abgetrennt. Unmittelbar hinter diesen erhebt sich nordseitig eine Felsenrippe, die stellenweise Bearbeitungsspuren und Reste von Mauerwerk aufweist und durch die eine ausgearbeitete Spitzbogenpforte führt. Die Felsrippe selbst folgt in auffälliger Weise einem anderen Verlauf als die eigentliche, knapp 2 m starke Umfassungsmauer der Burg, wodurch sich eine Art dreieckiger Zwinger herausbildet.
Im Inneren des etwa 30 x 50 m messenden inneren Burgareals teilt ein kleinerer Quergraben die Gesamtanlage in eine nördliche Kernburg und eine südliche Vorburg. Mit Ausnahme einer auffälligen Vertiefung im Gelände, deren südliche Wand noch einen bogenförmigen Mauerzug aufweist, zeigt das Vorburgareal obertägig kaum mehr klar ansprechbare Spuren der einstigen Bebauung. Anders die nördlich situierte und durch den Zwischengraben gesicherte Kernburg. Gegen die Feldseite übernahm hier eine starke Schildmauer mit Buckelquaderverkleidung die Abschirmung. Diese dürfte schon während des 13. Jahrhunderts entstanden sein und war somit wahrscheinlich von Beginn an Teil der Burganlage. Im Zentrum der Kernburg erhob sich ein bergfriedartiger Rundturm mit einem Durchmesser von 9 m, aber einer vergleichsweise geringen Mauerstärke von lediglich rund 1,20 m, der erst 1993 durch Ausgrabungen als solcher werden konnte. Südlich davon befand sich eine gemauerte Zisterne, deren runder Schacht in Resten erhalten ist. Auf der nordöstlichen Spitze des Burgfelsens, wo heute außer zwei in den Fels gehauenen Treppenstufen kaum mehr Bauspuren erschließbar sind, ist der Wohnbau der Burg zu vermuten, der dort in repräsentativer Position hoch über dem Echaztal lag.
Der vorhandene Baubestand, der insgesamt auf mehrere Bauphasen hinzudeuten scheint, sowie die teils nur vage einzuordnenden Geländespuren lassen bislang viele Fragen zur Baugeschichte und zum einstigen Erscheinungsbild der Burganlage offen.
Christoph Bizer, Oberflächenfunde von Burgen der Schwäbischen Alb. Ein Beitrag zur Keramik- und Burgenforschung, Stuttgart 2006, S. 112-114.
Christoph Bizer/ Rolf Götz, Vergessene Burgen der Schwäbischen Alb, Stuttgart 1989, S. 47-50.
Der Landkreis Reutlingen. Amtliche Kreisbeschreibung, hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Reutlingen, Band I, Sigmaringen 1997, S. 918-920.
Michael Kienzle, Burg und Kulturlandschaft. Beobachtungen zum soziokulturellen und topographischen Umfeld mittelalterlicher Adelssitze im Bereich der Mittleren Schwäbischen Alb. Dissertation Tübingen (in Vorbereitung).
Konrad Albert Koch, Der Alte Lichtenstein, in: Blätter des Schwäbischen Albvereins 6, 1925.
Günter Schmitt, Burgenführer Schwäbische Alb 4, Biberach 1991, S. 333-336.
Günter Schmitt, Kaiserberge, Adelssitze. Die Burgen, Schlösser, Festungen und Ruinen der Schwäbischen Alb, Biberach 2014, S. 92.
(Michael Kienzle)